Echt stark - Biodynamische Weinproduktion
Wir durften anlässlich unserer Herrschaft-Tour im vergangenen März das Weingut von Francisca und Christian Obrecht in Jenins besuchen.
Schon bei der Anfahrt zum Gut sieht man auf den ersten Blick: Das ist ein besonderer Ort, ein besonderer Betrieb auf dem Areal des ehemaligen Gehöfts, das bis zum Jahr 1840 den Gasthof zur Sonne beheimatet hat, ehe das Ganze 1868 mit Gutsbetrieb, Bauernhof und etwas Rebbau erstmals von der Familie Obrecht betrieben wurde. Ab 1945 wurde der Kuhstall umfunktioniert und ein Weinkeller mit ausschliesslicher Weinproduktion entstand.
Die Geschichte, an diesem kühlen Morgen vom 20. März von Christian Obrecht authentisch erzählt, lässt den Zuhörer staunen ob der Vergangenheit dieses Betriebs. Irgendwie leben diese Traditionen auch unter der derzeitigen Führung von Francisca und Christian weiter, einfach etwas moderner und vor allem: BIODYNAMISCH von A – Z. Die beiden leben den Kreislauf der Natur im wahrsten Sinne des Wortes. Francisca im Rebberg, Christian als eine Art Künstler im Keller. Man merkt ihm die Begeisterung für seinen Betrieb und die Nachhaltigkeit seines Tuns bei jeder Bewegung und mit jedem Wort förmlich an. Echtes Wein-Unternehmertum auf höchstem Level mit sehr viel Leidenschaft gepaart.
Auf der Führung erfahren wir, was «Biodynamisch» wirklich heisst und welch zusätzlicher Aufwand und Geschick dazu beiträgt, insbesondere auch im Rebberg, dass die Obrecht’s das Label «Demeter» auf ihren Flaschen platzieren dürfen.
Auf Pestizide und Kunstdünger wird verzichtet, mehr noch, diese sind verboten. Der Rebbau findet in einem möglichst geschlossenen Kreislauf statt. Unter dem Motto: Das, was wir der Natur entnehmen, geben wir ihr auch wieder zurück. Zum Beispiel kommt den Kuhhörnern im biodynamischen Weinbau eine wichtige Rolle bei der Herstellung bestimmter Präparate zu. Der Winzer füllt die Hörner mit Kiesel oder Kuhmist und vergräbt sie von Frühjahr bis Herbst oder über den Winter im Boden. Wenn sie dort Licht, Wärme oder einfach nur Lebenskräfte angereichert haben, werden die umgewandelten Füllungen mit Wasser verrührt und im kommenden Jahr in feinster Dosierung im Weinberg versprüht. Die im Weinberg versprühten Präparate dienen nicht der Düngung, sondern haben eine ausgleichende, die Pflanze stärkende und den Boden belebende Wirkung. Zusätzlich sorgen möglichst betriebseigener Kompost und Kräuterpräparate, wie Schachtelhalm oder Brennnessel, für lebendigen Dünger und dienen der Stärkung der Pflanzen, zum Beispiel gegen Pilzinfektionen. Das alles hat mir die Augen geöffnet, was es heisst, biodynamisch zu arbeiten. Mehrarbeit von bis zu 30 Prozent erklärt auch den höheren Preis von biodynamisch erzeugten Weinen.
Auch beim Rebschnitt, der Ernte und den Arbeiten im Keller achten viele biodynamisch arbeitenden Winzer auf die Mondphasen. Reinzuchthefen, welche die Gärung beschleunigen oder geschmacklich in den Wein eingreifen, sind ebenfalls verboten. Physikalische oder chemische Eingriffe sind nicht erlaubt.
Christian führt uns durch die verschiedenen Key-Orte im gesamten Keller und degustiert zusammen mit einer brennenden Kerze seine verschiedenen Weine mit uns. Diese sind bekanntlich alle samt Extraklasse und sind daher alljährlich schon vor der Produktion fast verkauft. Allokationen sind daher ein leidiges Thema bei den Obrecht’s. Allen gerecht zu werden bei der Verteilung der edlen Säfte, ist schon fast eine Doktorarbeit. Für uns natürlich eher ein Luxus-«Problem»…
Wir haben den halben Tag im Weingut genossen und sehr vieles über Bio-Diversität und Dynamie gelernt. Danke Christian für die spannende und interessante Führung und deine immense Arbeit für den Wein.
(Text: Roman Jurt, Bild: Judith Weber, März 2023)